Eine Woche Bogotá

12 07 2010

Hallo ihr Lieben,

die erste Woche bzw. mittlerweile schon 10 Tage  in Bogotá sind wie im Flug vergangen und während nebenan die Waschmaschine mit der ersten Ladung Wäsche gleich abhebt (merkwürdige Waschmaschinen sind das hier!) möchte ich euch doch auch ein bisschen an den ersten Erlebnissen teilhaben lassen.

Die letzte Woche stand ganz im Zeichen der Bürokratie: Ich musste ein Studentenvisum organisieren, dieses noch bei einer anderen Behörde registrieren lassen und eine Art „Ausländerausweis“ beantragen. Da solche Dinge hier immer sehr zeitaufwändig und nervenaufreibend sind, wollte ich eigentlich erst im „ORI“, sozusagen im  AAA der Uni hier nachfragen, wie das alles geht, die Dame, die mir aber da weiterhelfen könnte, hat natürlich Urlaub, insofern blieb mir nichts anderes übrig, als selbst mein Glück zu versuchen, die Dokumente zu sammeln, von denen ich wusste, dass ich sie brauchen würde, und mich auf zur Visaabteilung des Außenministeriums zu machen.

Das war am Mittwoch, und sollte zum ersten größeren Ausflug in Bogotá werden, da sich dieses Visumbüro viel weiter im Norden Bogotás befindet, und Bogotá nicht gerade eine Kleinstadt ist. Ich machte mich also zum ersten Mal mit dem „Transmilenio“-System vertraut, DAS öffentliche Verkehrsmittel in Bogotá, mit dem man relativ schnell von einem Ort zum anderen kommt. Es ist eine Art Metro-Ersatz, ein Bussystem mit eigenen Spuren, sodass man nicht den ewigen Staus und Unfällen etc. ausgesetzt ist. Es gibt verschiedene Routen, wenn man einmal bezahlt hat kann man beliebig oft umsteigen, trotzdem brauchte ich an diesem Tag eineinhalb Stunden, um zu besagtem Büro zu kommen. Erstens, weil ich das System doch noch nicht so ganz verstanden hatte und nicht wusste, dass ich auch von der Station in der Nähe unserer Wohnung zum Ziel gekommen wäre und stattdessen erst einmal eine halbe Stunde zu einer anderen Station gelaufen bin, zum anderen, weil der TRansmilenio auch nicht die ganze Stadt abdeckt und ich von der Zielstation auch noch einmal eine halbe Stunde laufen musste. Ich hätte natürlich auch mit einem normalen Bus fahren können, der mich irgendwo dort rausgelassen hätte, diese normalen Busse halten allerdings an jeder Milchkanne, man weiß nie genau, wo sie langfahren, erst Recht nicht, wenn man sich nicht auskennt, Pläne gibt es keine, sie sind den Launen des Verkehrs ausgesetzt – kurz gesagt, für einen Neuling in Bogotá keine gute Alternative. Um 10 Uhr war ich dann endlich da, durfte ein ellenlanges Formular ausfüllen, und wurde dann erstmal von einer Sicherheitskraft, einem großen, dunkelhäutigen Kolumbianer mit unverständlichem Küstenslang wieder weggeschickt mit der Begründung, der weiße Hintergrund meiner PAssfotos sei nicht weiß genug, sondern leicht grau, ich müsse nochmal neue Fotos machen gehen. Mit den neuen Fotos in korrekter Abmessung, exakt 3×3 cm, durfte ich dann endlich rein, durch die Sicherheitskontrolle, ein Nümmerchen ziehen, und mir irgendwo ein Plätzchen zwischen den Hunderten anderen wartendenden Ausländern suchen. Die erste Wartezeit ging relativ schnell rum, ich habe mich mit einer otavalena, der fast alle zähne fehlten, über ihre Heimat unterhalten, und einer Peruanerin beim Ausfüllen des Antragsformulars geholfen. Weshalb sie dafür ausgerechnet mich, eine der einzigen Blonden und somit augenscheinlich Nicht-Muttersprachlerin, gefragt hat, frage ich mich zwar bis heute, aber wir haben das zusammen gemeistert 🙂

Dann wurde meine NUmmer endlich aufgerufen, ich durfte meine gesamten Dokumente abgeben und dachte einen Moment, es würde an meinem deutschsprachigen Kontoauszug scheitern, da die nette Dame hinter dem Schalter mir mitzuteilen versuchte, dass alle Dokumente „en espanol y apostillados“, in Spanisch und beglaubigt, eingereicht werden müssen. Ich wiederum machte ihr dann klar, dass man einen  Kontoauszug wohl kaum offiziell übersetzen und beglaubigen lassen kann, zeigte ihr meinen Namen und das Saldo in Euro, soviel muss man wohl auch ohne Deutschkenntnisse verstehen, und dann war es auch gut. Leider hatte ich das procedere noch nicht ganz durchschaut, denn die Dame gab mir nicht gleich das Visum, sondern schickte mich „Warten“.  Und dieses Warten zog sich hin, und das Halbfinale kam immer näher. Und da selbst die anderen Südamerikaner dort anfingen sich zu beschweren, dass sie das Fußballspiel verpassen würden, hatte ich denke ich allen Grund, mich auch aufzuregen. Pünktlich um 13.30 Uhr kolumbianischer Zeit, (Anstoß in Südafrika), bekam ich dann wenigstens mein „recibo“ eine Art Rechnung, mit der ich dann zu einem anderen Schalter gehen , das VIsum bezahlen , und danach die Quittung wieder abgeben musste. Das Spiel hatte natürlich längst begonnen, neben mir packte eine Venezolanerin ihr Handy aus, mit dem man Radio empfangen konnte, und schnell hatte sich darum eine kleine TRaube gebildet. Verstehen konnte man bei der Sprechgeschwindigkeit der Fernseh- und Radiokommentatoren und dem schlechten Empfang zwar kaum was, da aber nicht einmal ein „GOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOL“zu herauszuhören war, und das hört man immer auf jeden Fall, wussten wir wenigstens, dass noch kein Tor gefallen war. Um 14:30 dann bekam ich endlich meinen Pass zurück, mit Studentenvisum bis 31.12., und stürmte hinaus ins Restaurant um die Ecke, ließ mich in einen Logenplatz direkt vor dem Fernseher fallen, und naja, wie das ganze ausgegangen ist wisst ihr ja alle. Obwohl ich in den letzten Tagen immer wieder Kolumbianer getroffen habe, die mir gesagt haben, sie hätten eigentlich viel lieber Deutschland als Weltmeister gesehen, weil das schließlich die einzige Mannschaft sei, die das ganze Turnier über gut gespielt hätte (!), war ich in besagtem Restaurant wohl ziemlich alleine. Zwar haben alle dem Fernseher mehr Aufmerksamkeit geschenkt als ihrem Essen, ich war aber beim 1:0 der Spanier die einzige, die nicht aufgesprungen ist und ein Freudentänzchen veranstaltet hat. Im Endeffekt erntete ich dann Blicke von schadenfroh über mitleidig bis amüsiert, aber auch das habe ich überstanden, ebenso wie später die Kommentare meiner Mitbewohner 😦

Am Donnerstag dann Bürokratie-Kapitel Nummer 2, Visum registrieren lassen und Ausländerpass beantragen im DAS, „Departamento Administrativo de Seguridad“. Lektion 1 und 2 (vorher doch mal schauen, mit welcher Transmilenio-Linie ich am schnellsten zum Ziel komme, denn für den Transmilenio gibt es tatsächlich ein Online-Informationssystem! und früher losfahren!) umgesetzt, und siehe da, die Schlange war gar nicht mal soooo lang, erstmal anstehen, dann wieder eine Anleitung zum Bezahlen abholen, mit der zu einer speziellen Bank drei Straßen weiter, Einzahlung auf ein bestimmtes Konto, mit der Quittung wieder zurück, wieder anstehen, Dokumente abgeben und… ja genau, warten. Und warten und warten und warten. Immerhin traf ich einige Leute wieder, die ich vom Warten am Vortag schon kannte, ein Fußballspiel verpasste ich dieses Mal auch nicht, also alles kein Problem. Nach zwei Stunden wurde ich dann aufgerufen, in einen kleinen Hinterraum zu kommen, und musste feststellen, dass die Kolumbianer Fingerabdrücke anscheinend sogar noch wichtiger finden als die US Homeland Security. Erst wurden meine Händer gescannt, dann jeder Finger einzeln, dann das ganze nochmal ganz traditionell mit Stempelkissen und Papier, jeder einzelne Finger mehrmals versteht sich, dann nochmal in die Kamera gucken, Unterschrift mit Filzstift auf Papier, und wieder warten. Und warten. Und warten. Dann konnte ich meinen Pass wieder abholen, das Visum war registriert, und meinen Ausländerpass darf ich morgen nachmittag auch abholen. Bürokratie also erstmal geschafft!

Den Rest der Woche hab ich dann noch mit Erkunden der Stadt verbracht und auch meinen ersten Ausflug in die Altstadt, geschafft. Hier ist alles ein bisschen bunter und eigentlich vom Ambiente her schöner als dort wo ich wohne, es ist aber auch etwas gefährlicher, in den kleinen Gässchen sollte man sich zumindest als Tourist nicht unnötig alleine herumtreiben, im Gedränge der größeren Straßen sollte man ebenfalls gut auf seine Sachen aufpassen, und nachts sollte man sich dort auch nicht alleine aufhalten. Obwohl viele Ausländer in dieser Gegend wohnen, bin ich wirklich froh über das Zimmer und die Wohnung die ich habe, direkt neben der Uni, sehr zentral, soweit man in einer Riesenstadt mit mehreren „Zentren“ von zentral sprechen kann, und vor allem sicher und ruhig, mit netten Mitbewohnern und ohne Regeln, wann man zuhause sein muss oder was man zu essen hat, wie das hier in vielen sogenannten „Wohnheimen“ der Fall ist. In einer WG zu leben ist hier alles andere als selbstverständlich, meine Mitbewohner betonen immer wieder, wie toll sie es finden, jetzt so zu wohnen, wie sie wohnen, und somit bin auch ich letztendlich sehr froh, dass das so einfach geklappt hat.

Unter der Woche haben meine MItbewohner zwar nicht so viel Zeit, sich um mich zu kümmern, da alle neben dem Studium und vor allem jetzt, in den Semesterferien, arbeiten müssen, aber am Wochenende haben sie mich wieder voll integriert und überallhin mit eingeladen. So gabs am Freitag den ersten Vorgeschmack auf die „Rumba Colombiana“, Feiern auf kolumbianisch sozusagen. Eigentlich hatte Julian mich nur gefragt, ob ich Lust hätte, mit zu Freunden von ihm zu kommen, die ihn zum Tacos-Essen eingeladen hatten. Es stellte sich dann heraus, dass die Freunde ein Ehepaar um die 40 war, mit zwei pubertierenden Söhnen, aber das macht ja nichts, und erst recht nicht in Lateinamerika, da ich hier immer den Eindruck habe, dass Alter eigentlich keine Rolle spielt und einfach alle Generationen zusammen feiern können und sogar die gleiche Musik hören. Nach den Tacos wurden die Jungs dann also ins Bett geschickt, und wir vier sind in eine Art Vergnügungsviertel in der Nähe gefahren. Hier wurde dann getanzt bis morgens um halb vier, und da das natürlich nicht geplant gewesen war, wir am anderen Ende der Stadt waren,  und Julians Freund eindeutig zuviel getrunken hatte um uns noch nach Hause zu fahren, mussten die armen Jungs dann ihr Zimmer räumen, damit wir ein paar Stunden dort schlafen konnten. So bin ich dann erst am Samstag morgen fix und fertig nach Hause gekommen und habe eigentlich den ganzen Tag, außer Fußball schauen und Essen vom Vortag aufwärmen nichts mehr auf die Reihe gekriegt.

Gestern wars dann wieder ein bisschen spannender, Juan Manuel hat mich mitgenommen zu einer „Fußball-Finale-Grillparty“ mit seinem Freundeskreis, aus der dann, wir sind schließlich in Kolumbien, nach Abpfiff ganz schnell eine sehr tanzintensive Party mit Salsa, Reggaeton, dem hier typischen Vallenato, einigen uralten Choreographien wie der Ketchup-Song (erinnert ihr euch? Asereje…) und auch einigen mir noch unbekannten Choreographien, die ich dann ganz schnell lernen musste.. WIeder ein spaßiger Tag also, wieder stundenlanges Fahren durch die Riesenstadt, und abends zittern, ob der TRansmilenio uns wohl sonntags abends um halb zehn noch bis nach Hause bringt, aber es hat alles geklappt, ich bin wohlbehalten wieder hier angekommen, habe mich ausgeschlafen, meine Wäsche ist mittlerweile auch sauber und morgen gehts dann auf große REise. Zuerst werde ich wohl mit dem Bus bis nach Popayan fahren, das sind etwa, also mindestens, 12 Stunden Busfahren durch die Anden über holprige Straßen, in Popayan plane ich dann den Mittwoch und die Nacht zu verbringen, und am Donnerstag gehts dann weiter bis zur ecuadorianischen Grenze und dann weiter ins geliebte Ecuador. Ich freue mich schon und meld mich dann hoffentlich mit spannenden Reiseberichten wieder!


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